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Asthma

In manchen Situationen möchte man einfach nur im Erdboden versinken. Aus den verschiedensten Gründen.

Ich weiß bis heute nicht, ob der Sexunfall, der mir passiert ist, wirklich ein echter war, oder ob ich es einfach nur mit einem Fall von absoluter Hysterie zu tun hatte.

Die Beziehung hat nicht lange genug gehalten, um das herauszufinden; der eine Vorfall hat gereicht, mich endgültig und sehr gründlich abzuschrecken. Auch wenn es für den Fall, dass es keine Hysterie war, sicherlich total ungerecht wäre, dem Kerl den Laufpass gegeben zu haben. Aber ich kann nun mal nicht aus meiner Haut, und das einmal zu erleben, war mehr als genug.

Also – ich hatte gerade einen Mann kennen gelernt. Oder was heißt hier Mann – ein Student war es. Groß, schlaksig, ein bisschen unbeholfen und tollpatschig, mit fast schulterlangen, ein wenig welligen Haaren, und sehr jungenhaft. Ich wusste zwar, er war längst Mitte 20 und damit kein Teenie mehr, ebenso wenig wie ich mit meinen 26 – aber er wirkte einfach noch wie ein Junge.

Im Nachhinein kam mir manchmal der Verdacht, er kultivierte auch genau das, um sich einfach das gesamte Leben leichter zu machen – aber vielleicht bin ich da einfach nur ungerecht und rachsüchtig.

Ich musste mich übrigens nicht schämen, fast zwei Jahre älter zu sein; von meiner Figur und von meinem Gesicht her schätzte man mich höchstens auf 18, das haben alle gesagt, auch er, und insofern war ich ihm zumindest in dieser jugendlichen Wirkung durchaus ebenbürtig. Wir hätten ohne weiteres zwei Teenager sein können, statt zweier Twens, wenn wir miteinander unterwegs waren.

Wenn ich auch ganz notgedrungen ernsthafter und verantwortungsvoller an das Leben herangehen musste und deshalb eine ganz andere Wesensart hatte als er. Ich arbeitete damals in einem Call-Center und hatte einen anstrengenden Job, der mir oft abends kaum Energie übrig ließ.

Er hingegen studierte locker-lässig ein bisschen vor sich hin, mit Papas Geld natürlich, und immer, wenn er etwas unbedingt haben wollte, fragte er nach einem kleinen Zuschuss zu seinem monatlichen Betrag, der ohnehin höher war als das, was ich durch einen ganzen Monat harter Arbeit verdiente. Was mich in manchen Augenblicken mit echter Empörung füllte.

Wahrscheinlich hätte mich genau das dazu bringen sollen, Abstand von einer Beziehung zu nehmen. Wir waren einfach zu verschieden. Auf der anderen Seite reizte mich aber gerade dieser krasse Gegensatz. Es war auch wunderschön, einfach einmal unbekümmert ausgehen zu können, sogar in die schönsten und teuersten Lokale der Stadt. Denn da ließ er sich dann nicht lumpen, da war er Kavalier – wenn wir abends oder am Wochenende ausgingen, ganz gleich, ob ins Kino, zum Essen oder wohin auch immer, dann bezahlte er. Und ich genoss es unsagbar.

Endlich mal nicht auf jeden Cent achten müssen, endlich mal dahin gehen können, wo die besseren Kreise verkehren, und endlich mal nicht bloß neidisch zum Nebentisch blicken, weil man sich dort bloß mühsam ein Glas Wasser leisten kann, während die sich satt und rund schlemmen.

Aber Geld ist keine Basis; wenn ich später noch mal über diese Beziehung nachgedacht habe, dann kam ich mir nachträglich oft vor wie eine schäbige kleine Hobbynutte, die sich für den Sex bezahlen ließ mit einem Hauch von gutem Leben. Das war irgendwie alles nicht richtig. Ich war auch zu fasziniert von den Möglichkeiten, die er mir bot, um ganz unbefangen sagen zu können, ob er als Person, als Mensch, als Mann mir wirklich gefiel. Die finanziellen Vorteile machten mich sicherlich blind für manch einen Nachteil, der mir sonst ganz gewaltig aufgestoßen wäre.

Zum Beispiel war er trotz seiner jungenhaften Unbekümmertheit unheimlich festgelegt und festgefahren in seinen Gewohnheiten. Wenn etwas nicht peinlich genau exakt so war, wie er das wollte, dann bekam er wahlweise einen fürchterlichen Wutanfall – oder aber einen Asthmaanfall.

Er litt nämlich an Asthma, das hatte er mir sehr früh ganz haarklein erzählt und mir auch genau berichtet, was alles einen solchen Anfall von schwerem Asthma hervorrufen konnte: das falsche Essen, das falsche Waschmittel, das falsche Shampoo, oder jegliche Art von Ärger und Aufregung.

Wenn das geschah – und ab und zu bekam ich das halt mit -, dann fing er an, plötzlich keine Luft mehr zu kriegen, keuchte auf eine so ganz merkwürdige Art, die ein pfeifendes Geräusch verursachte, und wenn er sich dann nicht schnell ein paar Schuss aus dem kleinen Inhalator verpassen konnte, den er immer und überall bei sich trug, dann lief er irgendwann dunkelrot an.

Angeblich konnte das ohne Weiteres auch unmittelbar zum Tod führen, ein solcher Asthmaanfall, und nachdem ich einmal genau deswegen regelrechte Todesängste ausgestanden hatte, weil er unterwegs seinen Inhalator nicht finden konnte, gewöhnte ich es mir sehr schnell an, selbst einen zweiten Inhalator immer griffbereit in der Handtasche mit mir zu führen.

Gleich zu Anfang wurde ich schon den Verdacht nicht los, dass das einfach nur eine ganz simple Möglichkeit war, die eigene Umgebung zu erpressen und alle dazu zu erbringen, ihm noch den kleinsten Wunsch zu erfüllen, weil er sonst ja Asthma bekam. Dass er eigentlich nur ein herrschsüchtiger Diktator war, der alle über eine angebliche gesundheitliche Schwäche tyrannisierte.

Andererseits – ich meine, eigentlich scherzt man doch mit solchen Dingen nicht. Es wäre ja schon ausgesprochen perfide, eine gesundheitliche Schwäche derart zur Erpressung einzusetzen. Und genau deshalb sind die meisten Leute dieser Erpressung ja auch so hilflos ausgeliefert, weil sie einfach nicht glauben können, dass ihnen jemand einfach nur so den Totkranken vorspielt. Dennoch hatte ich schon irgendwie den Verdacht, das mit dem Asthma war zumindest auch eine Masche.

Bestimmt hatte er wirklich Asthma; aber ebenso bestimmt meldete sich das garantiert nicht jedes Mal, wenn er in einen – angeblichen – Asthmaanfall flüchtete, um irgendetwas durchzusetzen.

Trotzdem gab ich ihm in vielen Dingen nach.

Ich wechselte mein Shampoo, mein Duschgel, mein Deo und mein Parfum. Natürlich waren die Marken, die er bevorzugte, alle teurer als das Billigzeug, das ich vorher gewohnt war und ständig gekauft hatte; aus Sparsamkeit ebenso wie weil es mir gefiel. Nachdem er diese Kosten allerdings übernahm, war es mir recht.

Auch wenn es mir schon sehr merkwürdig vorkam, auf einmal so ganz anders zu riechen als sonst immer. Ab wann gibt man in einer Beziehung dem anderen zuliebe zu viel auf? Ich weiß es nicht. Es kommt wahrscheinlich immer darauf an. Ich glaube allerdings, dass ich in jedem Fall zu viel aufgegeben habe, seinetwegen. Ich habe mich zu sehr angepasst und seinen Wünschen zu bereitwillig nachgegeben.

Nur in einem Punkt, da war ich hartnäckig, und zwar was das Waschmittel anging. Angeblich verursachte das namenlose Billigzeug aus dem Supermarkt, mit dem ich all meine Kleidung wusch, bei ihm Hautausschlag und Asthma. Ich allerdings mochte es einfach gerne, weil es so gut roch. Ich hatte auch lange experimentiert und ein paar teure Marken ausprobiert. Jedes Mal fand ich, mit dem Billigzeug wurde die Wäsche weicher und roch besser. Deshalb weigerte ich mich, in dem Punkt auch noch meine eigenen Wünsche zurückzustellen und seinen zu folgen.

Die Konsequenz war, wir waren nur ganz selten in meiner Wohnung und meistens in seiner; weil er eben angeblich das Waschmittel nicht vertrug und damit ohnehin nicht bei mir in den damit gewaschenen Laken übernachten konnte. Weshalb er sich glattweg weigerte, mein Bett zu berühren, geschweige denn hineinzuschlüpfen oder womöglich gar dort miteinander zu vögeln.

Dass auch meine sämtliche Kleidung damit gewaschen war, störte ihn wahrscheinlich nur deshalb nicht, weil ich die ja ohnehin auszog und nackt herumlief, sobald es intimer wurde mit uns.

Das war mir allerdings gerade recht, dass wir kaum in meiner Wohnung waren, denn seine Wohnung war erheblich größer und schöner, mit einem besseren Blick und einem Balkon, und außerdem hatte er eine super Stereoanlage, einen Fernseher und einen DVD-Spieler, während ich nur eine billige Kompaktanlage besaß und keinen Fernseher. Lediglich ein paar DVDs hatte ich mir angeschafft, die ich im Computer ansehen konnte, dank eines DVD-Laufwerks und eines kostenlosen Players. Aber das war ja nun kein Vergleich dazu, in aller Ruhe und total gemütlich im Bett liegen und dort dann auf einem großen Fernsehbildschirm die Filme genießen zu können.

Einmal allerdings, ein einziges Mal, waren wir bei mir im Bett.

Es war an einem Wochenende; wir waren spazieren gewesen und in einen Regenguss gekommen, und meine Wohnung war einfach die nächste; zu seiner hätten wir noch eine ganze Ecke laufen müssen.

Deshalb fielen wir bei mir ein, duschten heiß, rubbelten uns trocken und warm – dabei beschwerte er sich schon, die Handtücher würden so komisch riechen – und hingen unsere nassen Klamotten über der Heizung im Bad zum Trocknen auf. Danach kochte ich uns einen heißen Tee, den wir mitnahmen ins Schlafzimmer, wo wir uns ins Bett verkrochen und uns in die warmen Decken dort kuschelten.

Es kam, wie es kommen musste. Die Wärme und die Nähe erregten uns beide, und unversehens spielte er an meinen Brüsten und meiner Muschi herum, während ich vorsichtig mit den Fingerspitzen seinen sehr schnell eisenharten Schwanz streichelte. Nachdem uns beiden immer noch kalt war, vögelten wir unter den Bettdecken miteinander, und ich fand das absolut toll, ganz warm und weich und kuschelig.

Er jedoch fing ganz plötzlich an zu keuchen, und zwar keineswegs aus lustvollen Gründen, sondern auf diese mir mittlerweile sattsam bekannte, pfeifende Art. Ja, genau – ein Asthmaanfall. Und zwar angeblich ausschließlich wegen des falschen Waschmittels an meiner Bettwäsche.

Es war das letzte Mal, dass wir Sex miteinander hatten. Er flüchtete dann sehr schnell aus meiner Wohnung, nach ein paar mal Inhalieren, in seinen noch immer nassen Klamotten – und ich wusste irgendwann, als ich nachher allein war: Diese Beziehung hat keine Zukunft. Das hatte sie dann auch nicht.

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